Feminisierung

Run like a girl

Warum wir Porn Studies brauchen

Ab 2014 wird es ein akademisches Journal namens Porn Studies geben. Viermal im Jahr soll es bei Routledge erscheinen. Im Call for papers ist zu lesen:

„Porn Studies is the first dedicated, international, peer-reviewed journal to critically explore those cultural products and services designated as pornographic and their cultural, economic, historical, institutional, legal and social contexts. Porn Studies will publish innovative work examining specifically sexual and explicit media forms, their connections to wider media landscapes and their links to the broader spheres of (sex) work across historical periods and national contexts. […] It focuses on developing knowledge of pornographies past and present, in all their variations and around the world.“

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Vor kurzem wurde mir eine Werbekampagne zugespielt, die in der Schweizer Zeitung für Marketing, Werbung und Medien Werbewoche als Beispiel für gutes Werben veröffentlicht wird. Ich würde diese Vorstellung von Werbung nicht zensieren wollen, aber staune darüber, wie unkritisch Bilder, die sexuelle Assoziationsketten aktivieren, eingesetzt werden. Mein erster Gedanke war: aha, rasierte Genitalien sind die Norm. Und, aha: Frontale Nahaufnahmen von Vaginas sind ansprechend und sofort interpretierbar. Werbung arbeitet immerhin mit Klischees. Das hat nichts mit der Umgebung des beworbenen Restaurants, das im sich langsam auflösenden Rotlichtbezirk von Zürich liegt, zu tun. Nein, hier geht es explizit um Schamlippen, die gerne auch mal an einer Bushaltestelle anzutreffen sind.

Lustamgenuss

Werbung für ein Restaurant. Das „Sujet“ wird von der Agentur als „überraschend“ bezeichnet und soll „Lust verbreiten“. Quelle: werbewoche.ch

Postkarten

Postkarten. „Mit einem vertikal abgebildeten Paar schöner Lippen visualisieren wir den Genuss, der sämtliche Sinne berührt, … .“ (Zitat von der Website der Agentur werbeanstalt.ch)

Die Zweideutigkeit funktioniert für mich nicht. Der Mund suggeriert essen, schlecken und küssen und so weiter. Aber die Vagina? Soll ich in eine Vagina eintreten oder bin ich die Vagina, die penetriert wird? Und von wem oder was? Oder sehe ich da unter den Rock der „Starköchin“, die das Restaurant führt? Und wo ist der Penis? Ist das Restaurant nur für rasierte Ladies zugänglich? Oder umgekehrt? Sex sells. Ja, das wissen wir. Aber intelligenetes Provozieren sieht anders aus.

Jedenfalls freut sich Gloria über das Journal Porn Studies und ist ganz heiss darauf zu erfahren, welche Methodologien und Theorieansätze für das Untersuchen vom Einfluss von Pornographie (seien es Kameraeinstellungen, Soundtracks oder Garderoben) auf unseren Alltag entwickelt werden.

Ausstellung über die Farbe Rosa

Am Dienstag, dem 17.09.13 um 17h, findet die Vernissage der neuen Ausgabe der ROSA und der Ausstellung „Die Farbe Rosa“ im Institut für Populäre Kulturen, Zürich, statt.

Prof. Dr. Ingrid Tomkowiak
Institut für Populäre Kulturen
Universität Zürich
Affolternstrasse 56, CH-8050 Zürich, +41-(0)44-634 24 36
itom@ipk.uzh.ch, http://www.ipk.uzh.ch

„I don’t know. I don’t want to fuck anybody on that show.“

Howgh – der Network Executive hat gesprochen. Leise summt die Klimaanlage in seinem Office in LA, als er sich von den Vorschlägen für neue TV-Serien seiner „Writers“ und „Producers“ abwendet. Die Ausschlusskriterien für neue amerikanische Fernsehserien lernt Tina Fey, die Autorin von Bossypants (2011), auf diese Weise nach und nach kennen.

Tina Fey, Bossypants (2011)

Tina Fey, Bossypants (2011)

Der Einstieg in das Buch über Frau Feys Leben hinter und auf der Bühne ist holprig und erfüllt nicht die Erwartungen, die wir an eine Comedy-Frau stellen. Aber gib nicht auf. Nach ein paar Kapiteln wartet sie mit den skurillsten Geschichten ever aus dem Comedy-Business auf. Kaum zu glauben, dass sie nicht ihrer Phantasie entsprungen sind. Wir erfahren, dass viele guys im Show Biz regelmässig in Plastikbecher pinkeln, damit sie sich den Weg auf die Toilette ersparen. Very funny.

Oder Frau Fey erzählt von ihrem Verdacht, dass Schauspielerinnen, die nicht mehr fuck-würdig sind, in der industry automatisch als crazy women ausgegrenzt werden. Wohingegen ihre männlichen Kollegen selbst wenn sie sich nicht mehr ohne Hilfe den Allerwertesten abwischen können, noch mit viel Sendezeit im Fernsehen rechnen können.

Für Angehörige der weiblichen Geschlechtsklasse klingt folgendes Versprechen wie Musik in den Ohren: Sie werde, so Frau Fey, gerade aufgrund dieser unfairen Umstände in ihrem Beruf Gas geben – als hätte sie das nicht schon getan, als Boss von 200 Mitarbeitenden –  damit sie in Zukunft mit Menschen zusammenarbeitet, die sich nicht für ihre Karriere ausziehen müssen. Was Teat Nazis sind und warum Frau Fey ihrer Meinung nach – im Gegensatz zu männlichen Comedians – die Politikerin Sarah Palin nicht ungestraft imitieren kann, erfährt ihr auf den Seiten 242 und 234 ihres Buches.

aufgeschnappt

schwester zum bruder: „was denkst du? (die stimme senkt sich) das darf ich nicht so laut sagen. (sie flüstert) sehen die schuhe meines sohnes aus wie mädchenschuhe? (sie zeigt auf die schuhe an den kleinen füsschen) was denkst du? huh, ich hoff ich hab da nichts falsch gemacht…  wenn ich ihm das sage … das kann ich ihm nicht sagen, da wird er mir böse sein…“

Strategien der Verachtung

Auf der Titelseite der heutigen Neuen Zürcher Zeitung (6. Juni 2011) sehen wir ein Gruppe von jubelnden Männern. Grund der grossen Freude ist laut des Artikels die Abreise des Präsidenten Saleh aus dem Jemen. Nach einem Anschlag von Oppositionellen wurde dieser schwer verletzt mit einem Militärhubschrauber aus dem Land und nach Riad geflogen. Einer von den zwei Männern, die im Vordergrund des Bildes stehen, hält ein zerknittertes Plakat in der Hand. Der jemenitische Präsident ist darauf nicht eindeutig zu erkennen, da sein Gesicht bunt übermalt wurde: Es wurden ihm Schminke in Form von rotem Lippenstift sowie Lidschatten aufgetragen und einige Accessoires – ein enges Halskettchens mit einem Herz-Anhänger und Ohrringe – verpasst. Zusätzlich trägt er langes Haar.

Der Präsident als Frau

Kurzum, der Präsident, den die Regierungsgegner so sehr verachten, wird als Frau dargestellt und erfährt somit die höchste Form von Abwertung seiner Person. Das Auflösen seiner Männlichkeit ist der stärkste Ausdruck für den Hass, der ihm gebührt. Als Frau imaginiert ist er den Männern schutzlos ausgeliefert und handlungsunfähig geworden. Dieses Cross-Dressing ist eine bereits gesehene Strategie der Verachtung, die wir im Fall von dem Iraner Majid Tavakoli kennengelernt haben. Die iranische Nachrichtenagentur Fars liess Bilder von ihm als verkleidete Frau zirkulieren. Als Ausdruck für ihre Solidarität mit dem Verhafteten verkleideten sich weltweit Männer ebenfalls als Frau und präsentierten sich so im Internet. Grund meiner Verwunderung ist jedoch nicht diese spezielle Strategie der Verachtung, sondern dass der Verfasser des Artikels über den Jubel nicht einmal in einem Nebensatz das manipulierte Plakat erwähnt, erstaunt mich. Wäre eine amerikanische Flagge in Brand gesetzt worden oder wäre der Präsident als Homosexueller feminisiert worden, hätten wir sicherlich Näheres über die hasserfüllten Affekte der dargestellten Personen erfahren. Das frauenverachtende Plakat hingegen wird als Allgemeinplatz hingenommen, den es nicht zu problematisieren gilt. Egal, ob Okzident oder Orient – man(n) versteht sich.