Ich habe mich in die Lagunenstadt verschiffen lassen, um auf der diesjährigen Biennale di Venezia, der 54., ausfindig zu machen, was die internationale Kunstwelt derzeit beschäftigt. Nach meinem eintägigen Besuch kann ich festhalten, dass ich 4-5 sehr starken Ideen begegnet bin. Gleichzeitig in den Bann gerissen und äusserst amüsiert haben mich die Arbeiten des Künstlerpaars Allora & Calzadilla. In ihren Worten geht es bei der Repräsentation der USA an der Biennale um „Ironie, Humor und Absurdität“. Ihr Statement soll in Grossbuchstaben erscheinen. Am Eingang des Pavillons liegt ein scheinbar umgestürzter Panzerkampfwagen, auf dessen Gleisketten ein Athlet des US-amerikanischen olympischen „track and field“-Teams auf einer Laufmaschine joggt. In der Vorhalle des Pavillons stehe ich dann vor einer verkleinerten Freiheitsstatue, die eingequetscht wie ein Sandwich, auf einer Sonnenliege ruht. Und von einem Nebenraum her dröhnen schwere Orgeltöne, die später als Begleitmusik von Banktransaktionen eines in eine Orgel, einwandfrei funktionierenden Bankautomaten identifizierbar werden. Die Besucher_innen werden zu Performer_innen, indem sie Geld abheben. Abgesehen von der gelungenen, sehr symbolträchtigen Sprache der einzelen Skulpturen, Installationen und Performanes, hat mich die Interaktion der Körper der Athleten und Athletinnen mit den Objekten interessiert. Diese laufen nicht nur auf umgekippten Panzern, sondern tanzen auch auf und mit Flugzeugsitzen, auf denen sie Spuren wie Schweiss und Abdrücke hinterlassen. Übrigens: Gloria heisst der offizielle Beitrag der USA an dieser Biennale. Hintergründe und -gedanken zu Gloria gibt es hier auf der Website des Indianapolis Museum of Art.
"Gloria" heisst der US-amerikanische Beitrag an der diesjährigen Biennale von Venedig
Track and Field (2011)
Armed Freedom Lying on a Sunbed (2011)
Body in Flight (American) (2011)
Und hier das das ganze in Bewegung: Performances von Gloria auf Youtube
Thomas Hirschhorn zeigt Crystal of Resistance im Schweizer Pavillon. Ich habe mich liebend gern im Chaotisch-Panischen seiner Installation verloren und seine Art des Bezugs auf die gegenwärtigen politischen Widerstände genossen. Massenweise Ohrstäbchen und Kristalle treffen auf ein Spekturm von modernen Alltagsgegenständen – angefangen von Plastikstühlen, über Fersehgeräte und Mobiltelefone bis hin zu ausgehöhlten Schaufenster- und mit Alufolie bedeckten Barbiepuppen. Das ganze Sammelsurium wird mit viel braunem Klebeband zusammengehalten. Im Begleittext spricht Hirschhorn über Kunst als Widerstand und seiner Bejahung des Prekären. Diese Sichtweise auf das Prekäre teile ich gerne, wenn sie mit seiner Aussage, dass das Prekäre kreativ sein kann und die Welt immer aus beidem, positiven und negativen Teilen, besteht, verbunden ist. Ausserdem entzückt mich als studierte Philosophin Hirschhorns Zelebrieren der „Freundschaft“ zwischen Kunst und Philosophie, die er in Form von Diagrammen, Karten und Texten auffächert.
Crystal of resistance (2011)
Crystal of resistance (2011)
- Crystal of resistance (2011)
Crystal of resistance (2011)
Crystal of resistance (2011)
Crystal of resistance (2011)
Friendship between art and philosophy
Am Ende des Tages, mit müden Beinen und überstimulierten Wahrnehmungsorganen ringend, bin ich noch diesen Werken im Arsenale begegnet:
Ein sehr poetisches Bild, zumal auch etwas makaber, malt ein Künstler aus Haiti (oder der Dominikanischen Republik? Leider habe ich mir zu später Stunde den Titel und den Urheber des Werkes nicht notiert.) mit folgendem Video: ein blinder Mann trägt eine Frau ohne Beine durch die Strassen. Diese Symbiose soll das politische Verhältnis von Haiti und der Dominikansichen Republik repräsentieren.
Vanessa Beecroft
Vanessa Beecroft
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